Hindocha, C., Shaban, N. D. C., Freeman, T. P., Das, R. K., Gale, G., Schafer, G., Falconer, C. J., Morgan, C. J. A. & Curran, H. V. (2015). Associations between cigarette smoking and cannabis dependence: A longitudinal study of young cannabis users in the United Kingdom. Drug and Alcohol Dependence, 148, 165-171. doi: 10.1016/j.drugalcdep.2015.01.004

Hoch, E., Friemel, C. M. & Schneider, M. (Hrsg.) (2019). Cannabis. Potenzial und Risiko. Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Berlin: Springer.

Wilhelm, L., Kramer, J. Gefahren durch Cannabis-Abusus. CME 19, 55–66 (2022). doi: 10.1007/s11298-022- 2441-8

Cannabisabhängigkeit – Eine ernstzunehmende Erkrankung

Der Konsum von Cannabis wird allgemein als risikoarm und das Abhängigkeitspotenzial als gering eingeschätzt. Im Jahr 2022 war Cannabis jedoch nach Alkohol die häufigste Ursache für eine Suchtbehandlung in Deutschland. Die Bundesärztekammer warnt davor, dass mit der geplanten Teil-Legalisierung von Cannabis ein Anstieg cannabisbezogener Störungen zu erwarten ist. Hochsensitive analytische Verfahren ermöglichen einen zuverlässigen Nachweis von Cannabis, um den riskanten Konsum zu erkennen. Blutproben stellen eine ideale Matrix für eine quantitative therapiebegleitende Diagnostik dar, da sie den aktuellen Cannabiskonsum präzise nachweisen können. Zudem eignet sich auch Urin für einen qualitativen Nachweis des Konsums.

Cannabisbezogene Störungen

Cannabiskonsum kann die kognitive Leistungsfähigkeit vermindern. Cannabinoide können zudem zur Erweiterung der Blutgefäße, Bluthochdruck oder beschleunigtem Puls führen. Bei Cannabiskonsument*innen besteht ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Depressionen oder bipolare Störungen. Studien zufolge scheint Tabakrauchen einerseits die Entwicklung einer Cannabisabhängigkeit zu begünstigen und andererseits den Ausstieg zu erschweren (1). Cannabiskonsum kann bei Kindern und Jugendlichen negative Auswirkungen auf das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit, die Psychomotorik und den Spracherwerb haben (Abbildung 1). Darüber hinaus ist das Abhängigkeitsrisiko bei Jugendlichen signifikant höher. Ein niedriges Einstiegsalter ist zudem statistisch mit einem geringeren Bildungserfolg verbunden (2).

Abbildung 1: Cannabinoidrezeptoren in verschiedenen Regionen des ZNS

Cannabinoidrezeptoren Typ-1 (CB1-Rezeptoren) befinden sich hauptsächlich im zentralen Nervensystem (ZNS). Sie sind in verschiedenen Regionen des Gehirns vorhanden, einschließlich des Cerebellums, des Hippocampus und der Basalganglien und sind an der Regulation von Neurotransmitterfreisetzung beteiligt.

Gefährdung der Fahreignung durch den Cannabiskonsum

Cannabis führt zu einem erhöhten Risiko von Unfällen im Straßenverkehr. Auch nach einer Legalisierung würde das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von Cannabis verboten bleiben. Wer aufgrund des Cannabiskonsums nicht mehr in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen und andere Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, kann wegen Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt und der Führerschein entzogen werden. Bereits bei gelegentlichem Konsum (z.B. einmal im Monat) kann ein Verstoß gegen das sog. Trennvermögen zwischen Fahren und Cannabiskonsum vorliegen und zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Für eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) nach Alkohol- und Drogenauffälligkeiten im Straßenverkehr ist im Rahmen der Fahreignungsdiagnostik in der Regel ein Abstinenznachweis erforderlich.

Metabolismus und Pharmakokinetik

Die gängigsten Produkte aus der Cannabispflanze sind Marihuana (Blüten und Blätter) und Haschisch (Cannabisharz). Die häufigste Form des Cannabiskonsums ist das Inhalieren
durch Rauchen, oft in Kombination mit Tabak als Joint. Als besonders problematisch gilt die orale Einnahme (z.B. durch den Verzehr von cannabishaltigen Lebensmitteln, sog. „Edibles“). Von den über 100 Cannabinoiden in der Cannabispflanze wirkt das Δ⁹-Tetrahydrocannabinol (THC) am stärksten psychoaktiv. Durch die Hydroxylierung an den Enzymen CYP2C9 und CYP2C19 entsteht der aktive Metabolit 11-Hydroxy-Tetrahydrocannabinol (THC-OH), der geringere psychoaktive Effekte hat. THC-OH wird in der Leber weiter zum Hauptmetabolit 11-Nor- 9-Carboxy-Δ⁹-Tetrahydrocannabinol (THC-COOH) oxidiert.

THC ist lipophil, also fettlöslich und akkumuliert leicht im Fettgewebe. Es löst sich nur schwer in wässrigen Körperflüssigkeiten wie Blut auf. Daher ist die Nachweisbarkeit von THC signifikant länger als die Wirkungsdauer und kann auch dann noch festgestellt werden, wenn Konsument*innen glauben, bereits wieder nüchtern zu sein.

THC-COOH besitzt keine psychoaktive Wirkung und ist wasserlöslich. Aus diesem Grund wird es leichter über den Urin ausgeschieden und in der Regel bei Drogentests auf Cannabis nachgewiesen. Die Abbauzeit variiert individuell stark und sie hängt von der Menge und Häufigkeit des Konsums, dem Zeitabstand zwischen Cannabisaufnahme und THC-Test sowie der gesundheitlichen Verfassungen der Konsument*innen ab. Auch die Konzentration von THC in den konsumierten Cannabisprodukten spielt bei der Nachweisbarkeitsdauer eine Rolle.

In den vergangenen Jahren wurden verstärkt sogenannte synthetische Cannabinoide in Cannabisprodukten wie Haschisch, Marihuana, E-Liquids und präparierten Papieren nachgewiesen. Diese chemischen Verbindungen ähneln den natürlich vorkommenden Cannabinoiden, sind jedoch häufig viel potenter und können unvorhersehbare oder unerwünschte Auswirkungen auf die Signalwege in Zellen haben. Als Folge können Psychosen auftreten, die zum Teil mit schweren Krampfanfällen und schneller Bewusstlosigkeit einhergehen. Es kann auch ein starkes Verlangen entstehen, erneut Cannabis zu konsumieren (Craving). Die ungleichmäßige Verteilung der synthetischen Cannabinoide in den konsumierten Produkten erhöht zusätzlich die Gefahr von lebensgefährlichen Überdosierungen.

Tabelle 1: Nachweisbarkeitsdauer von THC und THC-COOH 

Probenmaterial   Nachweisbarkeitsdauer
nach einmaligem Konsum nach gelegentlichem
Konsum
nach chronischem Konsum
Blut THC: 4-6 h
THC-COOH: 2-3 Tage
THC: ≥ 24 h THC: mehrere Tage
THC-COOH: bis zu 3 Wochen
Urin THC-COOH: 2-3 Tage THC-COOH: 2-4 Tage THC-COOH: bis zu 3 Monaten
Haare (im Rahmen des Abstinenznachweises) Abhängig von der Haarlänge (1 cm für ca. 1 Monat)

THC: Δ⁹-Tetrahydrocannabinol; THC-COOH: 11-Nor-9-Carboxy-Δ⁹-Tetrahydrocannabinol

Nachweisbarkeit

Für Blut umfasst die Laboranalytik die quantitative Differenzierung des Cannabiswirkstoffes THC und seiner Metaboliten THC-OH und THC-COOH. Die Nachweisbarkeitsdauer von
THC und THC-OH im Blut beträgt 4-6 Stunden, die von THC-COOH 2-3 Tage (Tabelle 1). Bei chronischem Konsum kann THC-COOH im Blut für bis zu 3 Wochen nachgewiesen werden. Im Rahmen der Bestätigungsanalyse wird bei einem positiven Nachweis von Cannabis im Blut eine quantitative Bestimmung von THC und seinen Metaboliten durchgeführt. Ein Nachweis von THC deutet auf eine akute pharmakologische Beeinflussung und auf einen Cannabiskonsum innerhalb der vergangenen max. 24 Stunden hin. Wird lediglich THC-COOH nachgewiesen, liegt keine akute pharmakologische Beeinflussung vor. Ein Anstieg der THC-Konzentration im Körper kann jedoch auf einen Neukonsum hinweisen.

Im Urin lassen sich weder THC noch THC-OH nachweisen. Lediglich der Hauptmetabolit THC-COOH kann nachgewiesen werden. Die Nachweisbarkeitsdauer für THC-COOH beträgt bei einmaligem Konsum von Cannabis sowohl im Blut als auch im Urin 2-3 Tage. Bei der Bestimmung von THC-COOH im Urin wird parallel auch die Ausscheidungsrate von Creatinin ermittelt und die Messwerte werden entsprechend korrigiert. Wenn dieser Quotient um das Zweifache ansteigt, kann mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass es sich um einen Neukonsum handelt. Der Nachweis synthetischer Cannabinoide, die sich ständig verändern, ist äußerst aufwendig.

Bei separater Anforderung können synthetische Cannabinoide im Urin mittels chromatographischer Methoden mit massenspektrometrischer Detektion nachgewiesen werden.

Weitere detaillierte Kenntnisse zu Epidemiologie und Pharmakologie sowie zu Folgen und Risiken des Freizeitkonsums von Cannabis können in einer CME-Fortbildung „Gefahren durch Cannabis-Abusus" von Autoren des LADR Zentrallabors Dr. Kramer & Kollegen online bei SpringerMedizin erworben werden (3).

Abrechnungen

Parameter Material EBM GOÄ
Ziffer Ziffer € (1,15-fach)
Cannabis (EIA) Serum, Urin 32333 7,50 € 4155 16,76 €
Cannabis (LCMS) Serum, Urin 32314 51,90 € 4210 60,33 €
Synthetische Cannabinoide (LCMS) Urin 32314 51,90 € 4210 60,33 €

 

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